Herr Aschwanden wird ausfällig. So richtig. Er liegt im Spitalbett und beschimpft alle, die ihm unter die Augen kommen. Herr Aschwanden muss sehr unglücklich sein – das merkt man schnell, anscheinend ist er Spitzensportler, und sein Knie musste erneut operiert werden. Seine Zukunft als Profi ist ungewiss.
An niemandem lässt er ein gutes Haar: Der Chirurg hat gepfuscht, überhaupt kann keiner etwas »in diesem Laden« und die Pflegefachfrau, die zu einer Therapie raten will, macht er klein, indem er über »junges Gemüse« schimpft und eine Fachperson verlangt. Bloß: Die Gesundheitsfachperson steht schon neben ihm. Sie ist jung, ja, aber absolut kompetent.
Das Situationstraining am Departement Gesundheit der ZHAW (Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften) fordert alle Beteiligten: Studierende, die sich in ihrer Berufsrolle »spielen«, Schauspieler:innen wie Urs Humbel, der Herr Aschwanden verkörpert. Aber auch die Zuschauer, bestehend aus den Mitstudierenden, die Situationen wie die beschriebene so oder in ähnlicher Form schon erlebt haben. Mit anderen Worten: In jedem Pflegealltag gibt es einen Herr Aschwanden.
Situationstraining
Situationstraining ist ein Übungsformat, in dem das in Alltag und Studium erworbene Wissen angewendet wird: Je weiter die Studierenden des Departements Gesundheit an der ZHAW in ihrer Ausbildung sind, desto wichtiger wird dieser Punkt.
Mit dem Situationstraining üben sie Beziehungsaufnahme und Kommunikation, reflektieren ihr eigenes Verhalten und erhalten Feedback von Peers und Dozierenden. Das Format hat sich in den letzten zehn Jahren stetig weiterentwickelt, vom Improvisationstheater hin zu gespielten Situationen, die auf echten Begebenheiten basieren.
Fiktion und Wirklichkeit
Das spielerische Übungsfeld ist ideal, das spürt man, das sieht man. Auch, weil es nicht direkt ans Improvisieren geht, sondern erst einmal ans »Aufwärmen«. Ilona Hippold, Dozentin für Interprofessionelle Lehre und Praxis, stimmt die Studierenden sanft ein, indem sie sie erst einmal aus dem richtigen Leben erzählen lässt.
Alle Kursteilnehmer:innen haben eine Situation aus der Praxis mitgebracht, in der sie sich unwohl gefühlt haben. Sie erzählen der Runde zunächst, was konkret vorgefallen ist, und wie sie und ihr Umfeld reagiert haben.
Da ist etwa die Abteilungs-Chefin, die Hilfestellung bietet, indem sie die Praktikantin vor einem besonders ausfällig werdenden Patienten zu schützen versucht. Eine andere Vorgesetzte ist abwesend, und die Praktikantin muss selber schauen, wie sie zurechtkommt, als der Patient handgreiflich zu werden droht. Und eine dritte Studentin schildert ihre Unsicherheit darüber, wie die Nachricht über einen Todesfall zu überbringen gewesen wäre.