Laut dem Hirnforscher Gerald Hüther kommen diesen Menschen Lebensfreude und Lust am gemeinsamen Gestalten abhanden. Über längere Zeit erfahrene Ablehnung, so Hüther, stabilisiert sich im Frontalhirn zu Verschaltungsmustern und zu einer Haltung. Der Betroffene verliert seine angeborene Lust am Denken und an Beziehungen.
Zunehmend verliert er das Vertrauen in die Fähigkeiten anderer Menschen. Seine negative Einstellung macht ihn unbeliebt. Er reduziert damit das neuroplastische Potenzial seines Gehirns und hat ein höheres Risiko, physisch und psychisch zu erkranken.
All das leuchtet ein. Und doch erzeugt die An- oder Abwesenheit von Wertschätzung immer wieder Konflikte.
Das Problem ist, dass Wertschätzung ein dehnbarer Begriff ist, der von jedem Individuum anders verteilt, empfunden und beurteilt wird.
Wenn wir über das «Wert schätzen» einer Tätigkeit oder eines ganzen Berufsstandes reden, können wir uns also nicht auf die Einschätzungen Einzelner verlassen. Also versuchen wir uns über Studien und Umfragen der Wahrheit anzunähern.
Das Personal-Portal Indeed hat 2016 25’000 Bewertungen von Angestellten ausgewertet. Als wichtigster Faktor für die Zufriedenheit bei der Arbeit stellte sich die Work-Life-Balance heraus (auch dieser Begriff ist dehnbar), gefolgt von der Führungs- und Unternehmenskultur.
Auf den nächsten Plätzen dieser Rangliste folgen Jobsicherheit/Karriereperspektiven und Gehalt/Benefits. Bei der Stellenwahl hingegen sind Bezahlung, flexible Arbeitszeiten und ein guter Standort die wichtigsten Kriterien.
Kleinere Firma, mehr Zufriedenheit
Der Personalvermittlungs-Konzern Robert Half liess 2017 im Rahmen einer Studie 23’000 Angestellte befragen. Berücksichtigt wurden allerdings nur die Branchen Finanzen, Verwaltung, IT und Marketing/Kreativbereich. Das Resultat sollte vor allem dem Auftraggeber zu denken geben (er hat 16’400 Mitarbeitende): Je kleiner die Firma, desto glücklicher die Mitarbeitenden.
Als wichtigste Zufriedenheitsfaktoren stellten sich Stolz (hat mit der selbst empfundenen Sinnhaftigkeit der Aufgabe und dem Image der Firma zu tun), Fairness/Respekt und Wertschätzung heraus. Bei den Frauen rangiert Fairness/ Respekt an erster Stelle.
Die vielen Fusionen und das weitere Wachstum von Grosskonzernen sind also nicht im Interesse des Einzelnen. Das liegt unter anderem daran, dass einzelne Mitarbeiter und Kunden an Bedeutung verlieren und einfacher ersetzbar sind — eben: weniger wertgeschätzt werden.
Grosskonzerne nützen vor allem den Aktionären, die damit höhere Renditen einfahren können. Die Entwicklung mit den sich stetig ausbreitenden Pflegekonzernen, die Tausende von Pflegebetten im Angebot haben, sorgt demnach für mehr Unzufriedenheit beim Personal.