Das beste Mittel gegen die Hitze: Viel Flüssigkeit zuführen und stets den Schatten suchen.
Bild PD
Es wird in Zukunft immer mehr Hitzewellen geben – Ältere und Demenzkranke sind dabei besonders gefährdet. Ein sogenannter «Buddy» hilft mit, Hitzeschäden bei gefährdeten Menschen zu vermeiden.
Die Hitze macht den Menschen zu schaffen. 2003 war der heisseste Sommer der vergangenen 500 Jahre, 2015 folgt auf dem zweiten Platz. Der Sommer 2018 wird wohl alle Rekorde brechen. Oft haben die Temperaturen mehr als 35 Grad erreicht. 2003 und 2015 starben hierzulande verglichen mit anderen Jahren 975 (+7%) beziehungsweise 804 (+5,4%) mehr Menschen an der Hitze als sonst. Besonders betroffen davon waren ältere Personen.
So kann es nicht weitergehen, dachten sich die Behörden von Bund und Kantonen. Sie beauftragten den Umweltmediziner Professor Martin Röösli und sein Team, Empfehlungen zusammen zu stellen. Was kann man tun, damit nicht weiter so viele Menschen wegen Hitze sterben?
30 Seiten lang ist die «Hitzewellen-Massnahmen-Toolbox» geworden, die Röösli und sein Team zusammengestellt haben. Die Tipps reichen von Informationskampagnen über städtebauliche Massnahmen, bis hin zu einem nationalen Warnsystem. Eine grosse Rolle spielt dabei das «Buddy-System»: Freiwillige kümmern sich bei extremer Hitze um besonders gefährdete Personen.
Was muss ich klären, bevor die Demenz fortschreitet?
Im demenznavi erwarten dich Vorlagen zu Patientenverfügung, Vollmacht usw.
alzheimer.ch hat Professor Röösli gefragt, was die Hitze mit dem menschlichen Körper macht, wie das Buddy-System funktioniert und wie man einen Buddy für Demenz-Angehörige bekommt.
alzheimer.ch: Herr Röösli, warum schadet zu viel Hitze?
Martin Röösli: Sie kann zu einer Überhitzung des Körpers oder zu einem Hitzschlag führen. Normalerweise setzt das Temperatur-Zentrum im Gehirn Mechanismen in Gang, um den Körper abzukühlen: Die Blutgefässe in der Haut werden weitgestellt, die Schweissproduktion erhöht sich und Wärme wird über die Atemluft abgegeben.
Ist es aber zu heiss, verlieren wir durch diese Mechanismen zu viel Flüssigkeit.
In den Blutgefässen ist weniger Blut, das Herz pumpt schwächer und der Blutdruck sinkt.
Man fühlt sich schwach und schwindelig, manche werden ohnmächtig – das nennt sich dann Hitzschlag. Es kommt aber auch häufig zu hitzebedingten Gesundheitsproblemen, ohne dass man einen Hitzschlag hat – vor allem wenn der Kreislauf vorher schon geschwächt war.
Was passiert dabei im Gehirn?
Ist der Körper längerfristig zu heiss, versagt die Temperatur-Regulierung im Gehirn. Die Betroffenen schwitzen nicht mehr, sind verwirrt, teilnahmslos und bewusstlos. Im Hirn sammelt sich Flüssigkeit – wir nennen das Hirnödem. Die Flüssigkeit drückt auf die Hirnzellen und schädigt sie. Ohne rasche Hilfe stirbt man.
Ab welcher Temperatur wird es gefährlich?
Es gibt keine klare Grenze, das ist individuell unterschiedlich. Manche vertragen Hitze besser, andere schlechter. Ab 32 Grad Celsius steigt das Risiko für Gesundheitsprobleme deutlich an – auch das Risiko zu sterben. Als junger, gesunder Mensch steckt man Hitze leichter weg als Ältere.
Warum ist das so?
Weil sie den eigenen Durst nicht mehr so gut wahrnehmen wie Jüngere. Sie trinken zu wenig und produzieren in der Folge nicht genügend Schweiss, um sich abzukühlen. Durch den Mangel an Flüssigkeit macht das Herz-Kreislauf-System schneller schlapp.
Sie haben mit Kollegen einen Massnahmen-Katalog zusammengestellt, mit dessen Befolgung man Hitzeschäden vermeiden kann. Welches sind die wichtigsten Punkte?
Das lässt sich so nicht sagen, es kommt jeweils auf die Situation an. Wichtig finde ich, dass die Menschen informiert werden, was man bei Hitze machen soll – insbesondere weil wir dank des Klimawandels in Zukunft vermutlichlich öfter solche heissen Sommer erleben werden. Ältere Menschen in Pflegeheimen profitieren davon, dass die Pflegeeinrichtungen zentral alarmiert werden, wenn es eine Hitzewelle gibt.
Wer legt die Massnahmen fest?
Das bestimmen die Kantone. Dieser Katalog soll den Kantonen erleichtern, ihren eigenen Hitzeaktionsplan zu entwerfen. Deshalb haben wir ihn auch «Toolbox» genannt, also Werkzeugkiste.
Jeder Kanton kann sich die Massnahmen zusammenstellen, die den lokalen Bedürfnissen, den meteorologischen Bedingungen und den strukturellen Möglichkeiten entsprechen.
Kantone wie das Tessin oder das Waadtland brenötigen andere Massnahmen als Gebirgskantone.
Und wer hilft bei der Umsetzung der Massnahmen?
Das sind die Gemeinden, der kantonale Ärzteverband, der Kantonsapotheker, mobile Pflegedienste, der Zivilschutz, MeteoSchweiz, Notfalldienste oder der Immobilienwirtschaftsverband, um nur einige zu nennen. Koordiniert wird der Hitzeplan meist vom Kantonsarztamt.
Eine ganz wichtige Massnahme ist das sogenannte Buddy-System. Wie funktioniert das?
Ein Buddy ist ein Freiwilliger aus der Gemeinde – zum Beispiel ein Zivildienstleistender – der während einer Hitzewelle Risikopersonen betreut. Die Buddys rufen an oder machen Besuche und vergewissern sich, dass sie genügend trinken, die Wohnung kühl genug ist und es ihnen gut geht.
Welches sind sind Risikopersonen?
Zum Beispiel Menschen über 74 Jahre, die keine Hilfe von der Spitex in Anspruch nehmen und noch zu Hause wohnen. Der Kanton fordert die Gemeinden jeweils vor dem Sommer auf, eine Liste zu erstellen.
Wenn man meint, ein Bekannter oder Angehöriger sei eine Risikoperson, fragt man am besten bei der Gemeinde, ob man einen Buddy bekommen kann.
Was genau machen diese Buddys?
Der Kanton oder die Gemeinden wählen sie aus. Neben Freiwilligen können das auch Angestellte des Sozialdienstes sein, Zivilschützer oder Gemeindepolizisten. Die Buddys lernen in Kursen – etwa bei der Spitex – was sie bei einer Hitzewelle mit der Risikoperson machen sollen.
Warnt MeteoSchweiz vor einer Hitzewelle, informiert der Kanton die Gemeinde, wie heiss es wird und wie lange die Hitzewelle voraussichtlich andauert. Die Gemeinde mobilisiert dann die Buddys.
Bei älteren Menschen und insbesondere bei denen mit Demenz oder einer beginnenden Demenz könnten die Buddys eine enorme Hilfe sein.
Demenzkranke sind oft wie Kinder: Sie vergessen, wie Hitze dem Körper schaden kann und dass man sich vor ihr schützen muss.
Eine Ihrer Studien hat gezeigt, dass in Städten mit Hitzewarnsystem inklusive Buddys weniger Leute starben als in Städten ohne diese Einrichtung.
Ja, seit 2003 sterben in Genf, Lausanne und Lugano weniger Menschen wie früher an der Hitze, auf die Deutschschweizer Kantone trifft das hingegen nicht zu.
Liegt das an den Buddys?
Das lässt sich aus dieser Art von Studie nicht sagen. Es könnte auch daran liegen, dass in Kantonen mit Buddy-System die Sensibilität für hitzebedingte Gesundheitsprobleme generell höher ist.
Um zu sagen, die Buddys seien die Ursache, müsste man zufällig Risikopersonen mit Buddy und ohne Buddy betreuen – das wäre ethisch nicht vertretbar, weil man ja nicht möchte, dass die Leute sterben. Ich könnte mir aber vorstellen, dass Buddys vor allem in den Städten eine wichtige Rolle spielen können.
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In den Städten sind die älteren Menschen häufiger als auf dem Lande nicht mehr in einem Netzwerk eingebunden. Sie werden leichter vergessen. Im Dorf ist das anders, da kennt man sich und schaut auch mal bei der alten Dame nebenan vorbei. Von Buddys könnten ältere Menschen aber nicht nur bei Hitzewellen profitieren.
Wann sonst noch?
Die Buddys könnten helfen, eine beginnende Demenz frühzeitig zu erkennen. Kommt er zum Beispiel zu einem älteren Herrn, um zu schauen, wie er mit der Hitze klarkommt und sieht, dass die Wohnung ziemlich verwahrlost aussieht oder dass der Herr den ganzen Tag im Schlafanzug herumläuft, könnte das ein erstes Zeichen einer Demenz sein.
Dann könnte der Buddy die Gemeinde informieren, die weitere Schritte in die Wege leitet, etwa allfällige Angehörige informieren. Und letztlich bekommen die Menschen in Städten durch die Buddys das, was manchen fehlt – den persönlichen Kontakt.
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