In der Stuttgarter Stadtbahn der Linie 9 hat in der Sitzgruppe neben mir eine ältere Frau Platz genommen, die offensichtlich ihre Einkäufe nach Hause transportiert. Als sie gerade versucht, das aus ihrer blauen Tasche ragende Möhrengrün aus dem Reissverschluss zu befreien, wird ihr gegenüber ein Kinderwagen mit einem etwa anderthalbjährigen Jungen platziert.
Die junge Mutter stellt einhändig sicher, dass der Kinderwagen nicht wegrollen kann, ohne dabei ihr Telefongespräch zu unterbrechen. Die weisshaarige Dame begrüsst den jungen Zugestiegenen mit einem herzlichen «Hallo, kleiner Mann!». Dabei strahlt sie über das ganze Gesicht. Der in einen bunten Anzug gepackte Blondschopf strahlt zurück.
Das Möhrengrün wird plötzlich zum Spielzeug und hält die wortlose Kommunikation zwischen den beiden so lange aufrecht, bis die immer noch telefonierende Mutter den Kinderwagen mitsamt des nun etwas quengeligen Insassen ein paar Haltestellen später wieder aus der Stadtbahn schiebt.
«Ach, das war jetzt aber nett», sagt die ältere Frau zu mir. Ihr war wohl nicht entgangen, dass ich sie mit einem Lächeln beobachtet habe. «Mein Urenkel ist auch in dem Alter, aber den seh‘ ich ja eh fast nie», seufzt sie und steigt schliesslich aus.
Nicht nur der Dame in der Straßenbahn geht es so, ich weiss das auch aus anderen Quellen:
Begegnungen zwischen Kindern und älteren Menschen finden im Alltag höchstens zufällig oder gar nicht statt.
Inspiriert von meiner Beobachtung in der Stadtbahn besuche ich drei offene, stadtteilbezogen arbeitende Einrichtungen, die mit einzelnen Angeboten oder ihrem Gesamtkonzept gezielt das Miteinander der Generationen fördern.
In der alten Arbeitersiedlung
In einer der ältesten Arbeitersiedlungen Stuttgarts ist 2015 ein sehr junges Quartier- und Familienzentrum aus einem ehemaligen Lebensmittelladen entstanden. Nachbarn aller Kulturen und Altersstufen sind dort eingeladen sich zu treffen, gemeinsam Kaffee oder Tee zu trinken und das Programm mitzugestalten.
An diesem Sonntag im Dezember gibt es im «Wohnzimmer der Siedlung» die Möglichkeit, gegen ein kleines Entgelt gemeinsam zu frühstücken.
Obwohl ich in einem anderen Stadtteil lebe, komme ich schnell mit den Menschen ins Gespräch und finde an einem Tisch Platz, an dem sich bereits ein junger Rentner, eine über 80-jährige Dame mit Rollator und eine Mutter mit ihrem vierjährigen Sohn Brötchen, Obst und Kaffee schmecken lassen.