Von Ludgera Lewerich, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
Japan ist die älteste Gesellschaft der Welt. Im Jahr 2019 waren 28,4 Prozent der Bevölkerung über 65 Jahre alt. Und in den Prognosen der Regierung zeichnet sich angesichts hoher Lebenserwartung und anhaltend niedriger Geburtenrate keine Trendwende ab.
Für das Jahr 2065 wird erwartet, dass die über 65-Jährigen rund 40 Prozent der Bevölkerung ausmachen werden. Über diese Entwicklungen und die damit einhergehenden Herausforderungen wird auch in der deutschen Presse regelmässig berichtet. Von Gangster im Greisenalter (Spiegel), Tokio: Mein Pfleger der Roboter (Die Zeit) oder dem Land der Alten (Süddeutsche Zeitung) ist dort die Rede.
Ludgera Lewerich
Die Autorin dieses Beitrags ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Modernes Japan an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf und hat im Frühjahr 2020 ihre Dissertation abgeschlossen. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind u.a. kulturelle und soziale Repräsentationen des ländlichen Raumes, ländliche Revitalisierung und Altersforschung.
Die Probleme, denen sich die japanische Gesellschaft gegenübersieht, gleichen den deutschen. Im Verlauf sind sie aber etwas voraus. Es sind Themen wie der Mangel an Pflegekräften, die zunehmende Anwerbung ausländischer Pflegekräfte oder auch Fragen nach der gesellschaftlichen Teilhabe von Menschen im Alter.
Immer mehr ältere Menschen in beiden Gesellschaften sind kinderlos und leben im Alter allein. Diejenigen, die Kinder haben, wohnen in der Regel von diesen getrennt. Kommt hinzu, dass der familienstrukturelle Wandel eine Pflege durch Angehörige kaum ermöglicht.
Noch vor einigen Jahrzehnten galt in Japan die Pflege ganz selbstverständlich als Aufgabe der Familie, besonders der Schwiegertöchter. So war die Pflege in der Familie in ein System eingebettet, das eine starke Trennung von Rollen nach Geschlechtern vorsah.
Heute dagegen sind die meisten Frauen berufstätig, eine Pflege der eigenen Eltern und Schwiegereltern ist neben Arbeit, Kindererziehung und Haushalt kaum zu bewältigen und kann eine grosse Belastung darstellen.
Demenz als besondere Herausforderung
Wie können Menschen auch im Alter möglichst lange im vertrauten Zuhause wohnen bleiben und gut versorgt werden? Wie kann die gesellschaftliche Isolation pflegender Angehöriger und den Bewohnenden stationärer Einrichtungen verhindert werden?
Eine grosse Herausforderung stellt dabei die wachsende Zahl demenziell erkrankter Menschen dar. In Japan leben über 4,6 Millionen Menschen mit einer diagnostizierten demenziellen Erkrankung. Diese geht in vielen Verläufen mit Symptomen einher, welche die Interaktion, Kommunikation und Pflege zur besonderen Herausforderung machen können.