Wie Musik und Geräusche Menschen mit Demenz beglücken
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Musikspiegel

Klangspuren des Lebens

Ein Lied von Wencke Myhre und die Geräusche des Fussballs sind in Albin Spörris Klangspiegel aufgelistet. Bild Zentrum für Gerontologie

Musik und Geräusche können viele Erinnerungen wecken. Das Zürcher Zentrum für Gerontologie hat nun eine Anleitung herausgegeben, wie man Menschen mit Demenz zu mehr Lebensfreude und Selbstwahrnehmung verhelfen kann.

Von Gabriela Hofstetter, ZfG Universität Zürich

Erinnerungen sind ein grosser Teil unseres Selbst. Einerseits prägen sie unsere Individualität, andererseits stärken sie unsere Selbstwahrnehmung. Insbesondere an Demenz erkrankte Menschen verfügen über einen reichen Erfahrungsschatz, auf den sie aber nicht mehr problemlos zugreifen können.

Nun zeigen diverse Studien, dass verschiedene Erinnerungen von Menschen mit Demenz – abhängig vom Krankheitsverlauf – genutzt werden können, um bei diesen Personen das Gefühl des Selbst zu stärken und damit zu ihrem psychischen Wohlbefinden beizutragen.

Studienteilnehmerin: «Ich war als Kind sehr viel draussen in der Natur. Die Engelberger Aar habe ich in sehr guter Erinnerung, sie verhalf mir immer zum Einschlafen.» Erinnertes Geräusch: Bachrauschen.

Zum Beispiel können Musik oder Geräusche Menschen mit Demenz helfen, ihre Identität und ihre Selbstwahrnehmung länger zu bewahren, sie besser in ein soziales Gefüge einzubinden und damit ihre Lebensqualität zu erhöhen.

Musik kann helfen, sich an Dinge zu erinnern

Aus Untersuchungen wissen wir, dass das Gedächtnis von Menschen mit einer Demenzerkrankung für Musik und Geräusche – im Gegensatz zu demjenigen für verbale Informationen – relativ lange erhalten bleibt.

Aus diesem Grund können Musik und biographisch bedeutsame Geräusche für an Demenz erkrankte Menschen dazu genutzt werden, um positive autobiografische Erinnerungen wachzurufen und zu verstärken. Zum Beispiel deuten neuropsychologische Untersuchungen darauf hin, dass Hirnareale, die für die Verbreitung akustischer Informationen verantwortlich sind, diejenigen Stellen im Gehirn entsprechen, die sich bei einer Alzheimer Demenz langsamer abbauen (Jacobsen et al., 2015).

Andrea Hess (links), wissenschaftlicher Mitarbeiter des ZfG und ein Studienteilnehmer beim Erstellen eines Musikspiegels.Bild Zentrum für Gerontologie

Auch bei anderen Krankheiten konnte nachgewiesen werden, dass sich Musik und Geräusche im Vergleich zu anderen Informationen besser abrufen lassen. So fanden Frühholz u.a. in einer Schweizer Studie heraus, dass emotional bedeutsame Geräusche und Musik im Gehirn durch ein breites und stark verknüpftes neuronales Netzwerk verarbeitet und gespeichert werden.

Diese Vernetzung trägt dazu bei, dass emotional bedeutsame Musik und vertraute Geräusche trotz des kognitiven Abbaus länger erinnert werden können (Frühholz, Trost, & Kotz, 2016).

Wohlbefinden und Lebensqualität mittels Musikspiegel verbessern

Ein Musikspiegel ist eine Auflistung von kurzen aufgeschriebenen Lebensmomenten – erzählt in den eigenen Worten des an Demenz erkrankten Menschen. Durch das Verknüpfen mit Geräuschen und Musikstücken, welche mit den Lebensepisoden in einem individuell bedeutsamen Zusammenhang stehen, können diese positive Erinnerungen auslösen.  

Studienteilnehmer Albin Spörri: «Ich lernte meine Frau auf dem Fussballplatz kennen. Ich war Goalie beim FC Wettingen.» Erinnertes Lied: «Er steht im Tor» von Wencke Myhre.

Nicht nur die an Demenz erkrankte Person selbst kann mit Hilfe des Musikspiegels zu ihren eigenen Erinnerungen und Emotionen vordringen, sondern auch Drittpersonen können diese individuell bedeutsamen Geräusche und Musikstücke dazu nutzen, eine Verbindung zu dem von Demenz betroffenen Menschen aufzubauen.

Dies wiederum kann zu einer Atmosphäre des Vertrauens und der Sicherheit führen, was ein harmonisches Miteinander fördert. Der Musikspiegel kann somit als emotionale Brücke zwischen zwei Personen dienen, indem er Angehörigen oder Betreuenden Zugang zur erkrankten Person ermöglicht.

Zum anderen liegt darin auch das Potenzial, der erkrankten Person wieder ein Gefühl dafür zu vermitteln, wer sie tatsächlich ist, nämlich dadurch, dass sie von ihrem Gegenüber «erkannt» wird. 

Das Rauschen des Wassers und das Singen der Vögel wecken viele Erinnerungen.Bild Zentrum für Gerontologie

Positive Erinnerungen, die mit Musik oder Geräuschen verknüpft sind, stellen deshalb wichtige Ressourcen dar, die im Pflege- und Betreuungsalltag sowohl zum Wohl der an Demenz erkrankten Personen genutzt werden können als auch das Wohlbefinden und die Arbeitszufriedenheit der Pflegenden und Betreuenden steigern kann.

«Auf demenzjournal.com finden sich die Informationen, die ich gebraucht hätte, als ich in meiner Familie bei diesem Thema am Anfang stand.»

Arno Geiger, Schriftsteller (Der alte König in seinem Exil)

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Der Musikspiegel ist einfach zugänglich und kann in einer Vielzahl von Versionen verwendet werden. Als Medium kann dazu entweder ein Tablet/iPad, ein Smartphone oder einfach ein Notizpapier dienen. Darauf sind die bedeutsamen Lebensepisoden zusammen mit Links auf die betreffenden YouTube-Inhalte notiert.

Es besteht keine Notwendigkeit für spezifische technische Geräte. Dies macht den Musikspiegel einfach zugänglich und attraktiv sowie nützlich für alle Altersgruppen – unabhängig vom Grad der Computer-Kenntnisse.


Wir veröffentlichen diesen Beitrag mit freundlicher Genehmigung des Gerontologieblogs und des Zentrums für Gerontologie. Besten Dank!