Ein Spätsommerabend auf der grossen Gartenterrasse einer psychiatrischen Klinik über dem Zürichsee: Das Sonnenlicht dringt ein letztes Mal an diesem Tag durch die Lücke zwischen Horizont und Wolkendecke. Aus einem Lautsprecher erklingt eine Harfe, es kommen weitere Instrumente dazu. Die Künstler:innen Lisa Bögli, Andeli Zumbühl und Andreas Schwarzer pusten durch Herzen, die sie vorher in Seifenwasser getunkt haben. Ein laues Lüftchen trägt Seifenblasen über den Rasen.
Lisa Bögli: Wir wissen nie, wie es wird. Der Wind, das Wetter, die Thermik, die Luftfeuchtigkeit: Alles kann sich schnell ändern. Gerade während eines Sonnenunterganges kann es am Anfang ganz anders sein als am Schluss. Das gibt uns jedes Mal die Möglichkeit, von Neuem anzufangen. Das Thema Improvisation ist uns sehr wichtig. Das Stück «Seidenfein und schillernd charmant» ist immer ein einmaliges Erlebnis. Es so zu nehmen, wie es ist: Das ist eine passende Metapher zum Begleiten von Menschen mit Demenz. Ohne Pläne und mit vollen Herzen kommen wir in die Alters- und Pflegeheime. Wir versuchen, den Ort zu verzaubern und alles zu geben, was wir können. Dazu braucht es viel Liebe, Wertschätzung und Achtsamkeit.
Als die bereits untergegangene Sonne die Wolken Feuerrot färbt, nehmen die drei Künstler:innen grössere, fächerartige Instrumente zur Hand. Mit anmutigen Bewegungen erzeugen sie hunderte von kleinen Seifenblasen. Einige davon «leben» lange genug, um die Zuschauer:innen zu erreichen, die sich um die Rasenfläche geschart haben. Auf den Gesichtern der Menschen mischt sich geniesserisches Lächeln mit kindlichem Staunen.
Lisa Bögli: Nach den Aufführungen des Stücks erhalten wir schöne Rückmeldungen. Zum Beispiel sagten Pflegende, auf ihrer Demenzstation sei es noch nie so ruhig gewesen. Die Bewohner:innen entspannen sich, wenn sie Seifenblasen sehen. Sie erinnern sich an ihre Kindheit. Wir können Menschen, die eine andere Wahrnehmung haben, etwas bieten – mit Farben, Bewegung und Musik. Man muss das Stück nicht begreifen, man kann auch mal wegschauen oder einnicken. Wir wollen den Ort verzaubern, an dem Menschen mit Demenz leben. Der Anblick ist ihnen vertraut, und wir verzaubern ihn.
Neben Seifenblasen, Tanz, Musik und Pantomime kommen im Stück auch Drachen und Seidentücher vor. Sie tragen die bei Seifenblasen vorherrschenden Farben Lila und Türkis. Andeli Zumbühl hat die Tücher und Drachen speziell für «Seidenfein und schillernd charmant» gefärbt. Die Tücher sind mit Hula Hoops verbunden, die von Zumbühl und Bögli anmutig bewegt und geschwungen werden.
Lisa Bögli: Je nach Bedingungen musst du immer spontan entscheiden, wie gross die Blasen werden. Beim Seifenmachen geht es um Milligramme, ich habe dazu viel geforscht und ausprobiert. Andeli Zumbühls Teil sind die Seidentücher und Drachen. Sie hat SilknHoop erfunden, den sie selber herstellt und weltweit vertreibt. Mit dieser Kombination aus Seidentuch und Hula Hoop hat sie eine neue Art von Flow Art entwickelt. Ich nehme bei ihr Hula Hoop-Stunden, Anfang 2020 fingen wir mit der Kreation «Seidenfein und schillernd Charmant» an.