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Kommentar

Aufklärung tut Not!

«Der Mensch wird ohne Grundsätze, aber mit der Fähigkeit geboren, sie alle in sich aufzunehmen», schrieb der Aufklärer Voltaire. Bild PD

Der World Alzheimer Report 2019 zeigt auf: Es braucht mehr Aufklärung und Offenheit im Umgang mit Demenz.

Auf den Philippinen finden 95 Prozent der Befragten, Menschen mit Demenz seien impulsiv und unberechenbar. In Griechenland sind es über 80 Prozent, in der Schweiz knapp 70, in Deutschland knapp 60. In Island hingegen sind nur 30 Prozent der Bevölkerung dieser Meinung.

Die Hälfte der befragten Schweizer finden, es gebe angemessene öffentliche Betreuungsangebote. In Ländern wie Kenia, Polen oder Kroatien liegt diese Quote unter zehn Prozent. Die Hälfte der befragten Iren erachten die Angebote für Demenzdiagnose und -behandlung als kompetent. In der Schweiz liegt die Zustimmung bei 75 Prozent, in Deutschland bei 80. Die Pflegenden selber schätzen die Situation weniger positiv ein.


 → Hier gehts zum Artikel über den World Alzheimer Report 2019


Menschen mit Demenz werden von Ärzten und Pflegenden nicht ernst genommen: Dieser Ansicht sind fast die Hälfte der weltweit befragten 70’000 Menschen. Laut dem World Alzheimer Report 2019 werden in Rumänien gerade mal 15 Prozent der Menschen mit Demenz von den Mitarbeitenden des Gesundheitswesens erst genommen, in der Schweiz sind es immerhin 72 Prozent.

Mehr als die Hälfte der befragten Polen würden ihre Demenz vor anderen Menschen verheimlichen. In Deutschland würden es 20 Prozent tun, in der Schweiz 12 Prozent. Weltweit gaben 62 Prozent der befragten Ärzte an, dass Demenz ein normaler Teil des Alterns sei. Die Stigmatisierung der Krankheit Demenz hält sehr viele direkt und indirekt betroffene Menschen vor Beratung, Unterstützung und medizinischer Hilfe ab.

«demenzjournal.com hilft Menschen mit Demenz und ihren Angehörigen mit Wissen und Verständnis. Das schafft positive Lebensimpulse.»

Kurt Aeschbacher, Moderator und Verleger

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In den letzten 20 Jahren hat es im Bereich Demenz positive Entwicklungen gegeben. Es gibt mehr Aufklärung, Wissensvermittlung, Beratung, Betreuungsangebote und Unterstützung für Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen. Die Ausbildung der Pflegenden ist verbessert worden, und Demenz konnte ein Stück weit enttabuisiert werden.

Das alles reicht noch lange nicht aus. Dies zeigt die weltweit grösste Demenzstudie. Die Stigmatisierung der Krankheit und der davon betroffenen Menschen verhindert weitere positive Entwicklungen. Sie grenzt diese Menschen aus und vermindert deren Lebensqualität.

Was die Studie ausblendet: Leider grassiert die Stigmatisierung und Ignoranz auch – vielleicht vor allem – in der Politik. Die Mehrheit der Abgeordneten, Minister, Beamten usw. unternehmen wenig bis gar nichts, um die Situation für Menschen mit Demenz nachhaltig zu verbessern. Allzu oft behindern sie gute Betreuung und Pflege mit Pseudolösungen. Unter dem Vorwand, die Schwächsten unserer Gesellschaft schützen zu müssen, veranlassen sie fragwürdige Kontrollen und Dokumentationen.

alzheimer.ch – die Plattform zum Vergessen ist 2016 online gegangen, weil wir aufklären, vernetzen und Wissen verbreiten möchten. Wir möchten Menschen mit Demenz, ihre Angehörigen und Pflegenden zu Offenheit, zum Annehmen von Hilfe und Aneignen von Wissen ermuntern.

Die ernüchternden Resultate des World Alzheimer Reports 2019 sind für uns ein Ansporn, noch härter zu arbeiten und noch besser zu werden. Frei nach dem grossen Aufklärer Voltaire: «Lasst uns arbeiten, ohne zu grübeln. Das ist das einzige Mittel, das Leben erträglicher zu machen.»